Jeanne oder die Lerche

Ein Resümee zu der Inszenierung von „Jeanne oder die Lerche“

Figuren Leben einhauchen. Für ein paar Stunden eine andere Person werden. Und schließlich: Über sich selbst hinaus wachsen.

Wir haben es geschafft. Der letzte Vorhang ist gefallen. Nach sechs Vorstellungen in der Stadthalle Wetter kehren Jeanne d’Arc, ihre Familie, ihre Gegner und Mitstreiter sowie der französische Hof in die Geschichtsbücher zurück. Die Laienschauspieler des Theatervereins Wetter haben ihre Rollen wieder abgestreift.

Nach einem halben Jahr intensiver Proben stand am Ende die Inszenierung eines Theaterstücks, das so manche Überraschung bereithielt. Als die Entscheidung gefallen war, dass wir im März dieses Jahres „Jeanne oder Die Lerche“ von Jean Anouilh aufführen würden, erwartete eigentlich jeder ein Drama. Ernst, nachdenklich, schwer.

Doch Regisseur Jürgen Helmut Keuchel wäre nicht der, der er ist, wenn er uns nicht wieder einmal überrascht hätte. Überzogen sollte die erste Hälfte des Stücks werden. Eine Lachnummer mit Reichlich Klamauk. „Das Thema ist ernst genug, ich will es auflockern, die Zuschauer sollen auch etwas zu lachen haben“, erklärte er.

Da musste Jeannes Bruder (Benjamin Schmidt) dauerpopelnd auf der Bühne stehen. Uwe Fischbach als Jeannes Vater und Olli Batz als Beaudricourt durften nicht schlauer als auf Grundschulniveau sein. Beate Wagner (Jeannes Mutter) und Annette Hauptführer (kleine Königin) mussten ihre Stimmen ins absolute Extrem verstellen. André Mettken (Warwick) durfte nicht mehr sympathisch sein. Rüdiger Clasani (Charles) hatte rote Strumpfhosen und Pantoffeln zu tragen. Und die Damen des französischen Hofes (Annette Hauptführer, Sabine Kaiser und Cathrin Seibert) erhielten Oberweiten und Hüften, mit denen sie nur noch erschwert durch normalgroße Türen kamen.

Wir hatten unseren Spaß. Bei jeder Probe gab es etwas zu lachen. Doch den Figuren Leben einzuhauchen, stellte auch eine große Herausforderung dar. Häufig bedeutete das, Hemmungen und Ängste zu überwinden. Zum Beispiel, wenn Mätresse Agens (Cathrin Seibert) ihrem Dauphin (Rüdiger Clasani) den Finger in den Mund stecken musste. Oder Jeanne (Simone Schwalm) an La Hires (Harald Althaus) Bauch und seiner Achselhöhle schnüffeln sollte. „Du traust dich nicht“, hieß es oft genug vom Regisseur.

Keuchel hatte genaue Vorstellungen, wie welche Rolle auszufüllen war. Wenn es nach dem fünften Anlauf immer noch nicht klappte, fragte er:

„Verstehst du, was ich will, Hase?“ Ja, ich verstehe es, aber ich weiß nicht, wie ich das umsetzen soll. Keuchel machte es vor – und zwar so gut, dass wir davon überzeugt waren, er könnte sämtliche Rollen einfach selbst spielen. Aber immerhin: Wir bekamen eine Idee davon, wie es am Ende aussehen sollte.

Und am Ende waren alle ein Stück weit über sich selbst hinaus gewachsen. Das betraf nicht nur das Schauspiel. Wenn einige Vorstellungen nur spärlich besucht waren, hieß es: „Jetzt geben wir noch mehr.“ Die gute Stimmung blieb ungetrübt. Denn die Mitglieder des Theatervereins sind noch einmal mehr zusammen gewachsen, haben sich den Herausforderungen und Überraschungen gestellt. Und sie sind dankbar für die zahlreiche Unterstützung, für konstruktive Kritik, lobende Worte und ein unvergessliches Miteinander. Wir haben uns getraut und sind überzeugt: Es hat sich gelohnt!