Kritik der OP Marburg März 2014

Theaterverein Wetter: „Der nackte Wahnsinn“
Mit präzisem Timing bringt der Theaterverein Wetter Michael Frayns Komödie auf die Bühne. Ein Gag jagt den nächsten. Am Wochenende verstand man die Darsteller bisweilen kaum, weil das Publikum so laut lachte.

Wetter. 32 Jahre alt ist die Komödie „Der nackte Wahnsinn“ inzwischen. Und noch immer ist der Blick hinter die Kulissen des Theaters ein Publikumshit. Wer gerne lacht, ist hier richtig. „Der nackte Wahnsinn“ ist keine große Kunst, das Stück ist ein Schenkelklopfer, ein Brüller.

Frayn erzählt in seinem Kultstück in drei Akten, welchen Werdegang ein Stück nehmen kann. Akt eins ist die chaotische Generalprobe. Es geht so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Für Pointen sorgen die vielen Unzulänglichkeiten der Schauspieler sowie Sardinen und Alleskleber.

In Akt zwBelinda (Regina Kappel, von links), Regisseur Lloyd (Rüdiger Clasani), Dotty (Sandra Erkel) und Selsdon (Helmut Konnerth) haben hinter den Kulissen jeden Überblick verloren. Da hilft nur noch ein Schluck Whiskey.Foto: Benedikt Bernshausenei wird die Bühne gedreht, das Publikum wirft einen Blick hinter die Kulissen: Dort denkt kaum noch jemand an die Aufführung. Neid, Eifersucht und Alkohol prägen    die Szene. Gezeigt werden die Auseinandersetzungen in Slapstick-Manier, die man aus Stummfilmen kennt, denn die Darsteller dürfen selbst dann nicht laut schreien, wenn man ihnen etwa einen Kaktus in den Hintern gesteckt hat, um das Geschehen auf der Bühne nicht zu stören.

Akt drei zeigt das Stück am Ende einer langen Tournee. Das Ensemble ist durch die ständigen Reibereien sichtlich erschöpft, die Darsteller improvisieren munter drauflos, von dem Stück ist kaum etwas übrig geblieben – außer den Sardinen, aber auch die finden inzwischen eine andere Verwendung.

Wer glaubt, dass die sogenannte leichte Muse leicht zu spielen ist, der irrt gewaltig. Damit die Gags funktionieren, müssen die sieben Türen und das Fenster im richtigen Moment auf- und zugehen. Das richtige Timing ist das A und O dieser rasanten Komödie. Und wenn alles aufgeht, kringelt man sich – wie das Publikum am ersten Wochenende – vor Lachen. Das zeigt: das neunköpfige Ensemble hat mit Regisseur Jürgen Helmut Keuchel in den vergangenen Monaten hart gearbeitet.

Nahezu alle Darsteller sind in Doppelrollen zu sehen: Sie spielen einerseits die Schauspieler, die sich hinter den Kulissen an die Gurgel gehen, und gleichzeitig die Schauspieler in dem Stück im Stück, das „Nackte Tatsachen“ heißt. Und die ambitionierten Amateure spielen mitreißend, ihnen gelingt eine tolle Ensembleleistung:

Sandra Erkel etwa ist als Dotty eine Schauspielerin, die gerne das vergisst, was sie „im Stück im Stück“ als Haushälterin Mrs. Clackett unbedingt braucht. Andre Mettken spielt den ebenso eifersüchtigen wie rachsüchtigen Garry, der sich in „Nackte Tatsachen“ mit der leichtbekleideten Vicky herumschlagen muss, die von der stockblinden Brooke gespielt wird, in deren Rolle Cathrin Seibert schlüpft.

Uwe Fischbach gibt den tumben Hasenfuß Frederick, der wiederum als reicher Steuerflüchtling Philipp Brent zu sehen ist. Regina Kappel hat als Belinda als Einzige noch etwas Durchblick, kann als Brents Frau aber nichts mehr retten.

Helmuth Konnerth spielt den schwerhörigen, trunksüchtigen alten Bühnenhasen Selsdon, der als Einbrecher entweder zu früh oder zu spät kommt. Rüdiger Clasani ist der eitle Regisseur Lloyd, Annette Hauptführer die Regie-Assistentin Poppy, die alles abbekommt, und Hans Kaiser ist als Inspizient Tim das „Mädchen für alles“. Verstanden? Nein? Macht nichts.